Räumliche Transformationsprozesse der Energiewende
Planungsbezogene Analyse- und Gestaltungspotenziale der Geschlechterforschung
Finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), 30 Monate Laufzeit (bis 03/2024)
Hintergrund, Frage- und Zielstellung
Die Energiewende bezeichnet einen Transformationsprozess des deutschen Energiesystems bei dem der Anteil der erneuerbaren Energien weiter ausgebaut und die Energieeffizienz sowie die Energieeinsparung deutlich erhöht werden sollen. Dieser Aus- und Umbau hat räumliche Konsequenzen und wirkt sich sowohl auf die physische als auch auf die soziale Dimension von Räumen aus, was die räumlichen Planungen vor neue Herausforderungen stellt. Aus planerischer Perspektive sind dabei vor allem zwei Themenfelder bedeutsam: Erstens geht es in substanzieller Hinsicht um den Wandel von Kultur- zu Energielandschaften. Zweitens geht es in prozeduraler Hinsicht um die Gestaltung einer raumbezogenen Governance, verbunden mit Fragen der Partizipation der Bevölkerung sowie der Akzeptanz der neuen Technologien.
In unserer Forschung fragen wir danach, welche planungsbezogenen Potenziale die Geschlechterforschung zur Analyse und Gestaltung räumlicher Transformationsprozesse der Energiewende bietet. Im Fokus steht nicht die Geschlechtergerechtigkeit im engeren Sinne. Vielmehr gehen wir davon aus, dass sich die Kategorie Geschlecht als „Eye-Opener“ zur Aufdeckung von diversen Macht- und Herrschaftsverhältnissen nutzen lässt, die im Zuge räumlicher Transformationsprozesse (re‑)produziert werden können (z.B. das Verhältnis von öffentlichen und privaten Räumen oder das Verhältnis unterschiedlicher Wissensformen zueinander). Auf diese Weise können die sozial-räumlichen Implikationen von Energiewendeprozessen besser verstanden werden und Erkenntnisse der Geschlechterforschung für die planerische Gestaltung räumlicher Transformationsprozesse der Energiewende nutzbar gemacht werden.
Vorgehen
Zur Weiterentwicklung des planungsbezogenen Wissens für die Erforschung und Gestaltung der räumlichen Transformationsprozesse der Energiewende wird eine planungswissenschaftliche Heuristik „EnerGesch“ auf Basis verschiedener analytischer Zugänge der Geschlechterforschung erarbeitet. Im Forschungsdesign werden diese Zugänge operationalisiert, indem vier Geschlechterperspektiven unterschieden werden: Geschlecht als Differenz-, Struktur- und Prozesskategorie sowie als epistemologische Kategorie. Die Heuristik dient als Basis, um räumliche Transformationsprozesse der Energiewende entlang der Themenfelder Energielandschaften und Governance zu untersuchen.
In der ersten empirischen Phase des Projekts werden durch die Energiewende angestoßene Transformationsprozesse kritisch analysiert. Dazu werden zwei Fallstudien in den Untersuchungsgebieten Reinhardswald (Teilprojekt 1) und Jänschwalde (Teilprojekt 2) durchgeführt. Zentrale Methode sind qualitative Interviews mit Akteur*innen regionaler Energiewendeprozesse (Planer*innen, Verwaltung, Praktiker*innen, Aktivist*innen u. a.). Ausgehend von den Relevanzsystemen dieser Akteur*innen werden ausgewählte Aspekte in eine Governance bezogene Dokumentenanalyse überführt sowie mit räumlichen Materialisierungen der Energielandschaften abgeglichen.
In der zweiten empirischen Phase werden in einem transdisziplinären Prozess Szenarien einer sozial-ökologischen und intersektional gerechten Energiewende entwickelt. Diese speisen sich aus den Ergebnissen der ersten empirischen Phase, sowie aus dem bestehenden System-, Ziel- und Transformationswissen von Akteur*innen der Energiewende.
Teilprojekt 1: Windpark Reinhardswald
Der Windpark Reinhardswald (Hessen) stellt ein Beispiel für die aktuellen, z. T. konfliktreichen Debatten um die Flächenausweisung für Windenergie dar. Ab 2022 sollen hier im Waldgebiet 20 Windkraftanlagen installiert und von der Energiegenossenschaft Reinhardswald betrieben werden. Neben Fragen der Bürger*innenbeteiligung und regionaler Wertschöpfung werden Aspekte naturschonender Planung und Umsetzung des Projektes diskutiert. Das Teilprojekt 1 wird seit April 2023 an der Alberts-Ludwigs-Universität Freiburg bearbeitet.
Vorrangfläche für Windenergie im Reinhardswald (Foto: K. Kapitza)
Teilprojekt 2: Jänschwalde
Im (ehemaligen) Tagebau Jänschwalde in der brandenburgischen Lausitz überlappen sich Prozesse des Rückbaus fossiler Energiegewinnung (Phasing-Out) und des Ausbaus erneuerbarer Energien (Phasing-In) auch räumlich. Während Teile des Tagebaus noch bis Mai 2022 in Betrieb sind, werden andere Bereiche bereits für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien genutzt. Weitere Wind- und Energieparks sind in Planung. Das Teilprojekt 2 wird an der ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft in Hannover bearbeitet.
Ansprechpartner*in